Die Coronaviren tragen ihren Namen „Krone“, weil sie unter dem Mikroskop kronenförmig aussehen. Aber ich habe den Eindruck, als wenn sie nicht nur so aussehen, sondern gerade tatsächlich die „Krone“ aufhaben und fast wie ein Alleinherrscher regieren. Unser ganzes Leben wird zur Zeit von ihnen bestimmt. Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, aber auch die Kirchen, alle hören auf das Kommando dieser Viren. Auch wenn wir uns dieser Herrschaft nicht freiwillig unterstellen, tun wir recht daran, denn unser Verhalten entscheidet über Leben und Tod.
Damit aber wird deutlich: Hinter der Macht der Coronaviren lauert der eigentliche Machthaber, der Tod. Nur weil er regiert, fürchten wir das „Kronenvirus“. Der Tod aber ist nun tatsächlich Alleinherrscher. Seiner Macht kann sich niemand entziehen. Früher oder später müssen wir uns alle vor ihm beugen. Das kann man im Alltag versuchen zu verdrängen, weil wir uns ja gerne selbst als Chefs unseres eigenen Lebens inszenieren. Zumindest mir geht es so: Ich lasse mir nicht gerne von anderen sagen, was für mein Leben wichtig ist. Und nun kommt so ein winzig kleines Virus daher und plötzlich kann ich dem Thema Tod nicht mehr ausweichen: Wird es mich betreffen? Meine alten Eltern? Die Menschen, für die ich auf der Hensoltshöhe Verantwortung trage?
Mitten in diesen existenziellen Fragen feiern wir Ostern. Nicht wie sonst mit Familientreffen und Osterurlaub. Auch unsere Gottesdienste sind anders: Nicht mehr gemeinsam in der Kirche, sondern online oder als Hausgemeinschaft. Aber eines bleibt: Wir feiern den Sieg Jesu über die Allmacht des Todes. Seit Ostern wissen wir: Die für uns undurchdringliche Mauer des Todes hat einen Riss. Jesus hat eine Bresche hineingeschlagen. Niemand hatte damit gerechnet. Seine Feinde, die ihn als Verbrecher hingerichtet haben, waren ja froh, ihn los zu sein. Aber auch seine Freunde waren völlig überrascht. Sie hatten sich nach der Hinrichtung Jesu am Karfreitag angstvoll verkrochen. Denn: „Wer tot ist, ist tot. Und wer weiß, ob wir nicht als nächste dran sind.“ Erst ganz langsam haben sie es kapiert: Jesus lebt. Gott hat ihn von den Toten auferweckt. Nun hat der Tod nicht mehr das letzte Wort. Wer zu Jesus gehört, darf leben. Sogar jenseits der Todesgrenze. Wer sein Leben Jesus anvertraut, wird mit ihm auferstehen zu einem neuen, ewigen Leben in Gottes guter Gegenwart. So öffnet sich der Himmel, mitten in der Krise.
Wer hat nun die Krone auf? Ostern macht sichtbar: Jesus, der Mann mit der Dornenkrone vom Karfreitag, ist der Sieger über die Allmacht des Todes. Ja, sie kann uns noch erschrecken. Ja, die Gefahren durch Coronaviren sind real. Ja, wir wollen alle nötigen Maßnahmen dagegen ergreifen. Aber das letzte Wort in meinem Leben haben sie nicht. Das behält der Auferstandene.
Darum kann ich froh Ostern feiern. Feiern Sie mit?
Pfarrer Dr. Wolfgang Becker
Vorstandsvorsitzender der Stiftung Hensoltshöhe